ComIndirect

Ein Hilferuf aus der Servicewüste Deutschland

Neulich erreichte mich dieser Brief. Also ein echter, gedruckter Brief. Drei Seiten auf Papier. Von comdirect. Schon das allein ist verdächtig, denn das Letzte, was ich von dieser Bank in Papierform bekam, war ein aussageloser Werbeflyer zum Thema „Digitalisierung – wir sind bereit“.

Der Inhalt des Schreibens: Man habe „in den letzten Monaten mehrfach versucht, mich zu kontaktieren“. Ah ja. Wann genau? Zwischen den Spam-Mails zur ETF-Vorsorge und den Push-Nachrichten über das neue Design der App? Oder im geheimen Morsecode über meine Kontoauszüge, die ich nie abrufe?

Nun, jedenfalls sei ich nun dringend aufgefordert, mich zu melden – andernfalls werde man mein Konto fristgerecht kündigen. Eine erfrischende Mischung aus Gaslighting und passiv-aggressivem Schlussmachen per SMS. „Es liegt nicht an uns, es liegt an Ihnen, Herr Hoffmann.“

Pflichtbewusst rufe ich Schaf also die Hotline an – wie ein braver Kunde, der noch an Kommunikation glaubt. 17 Minuten lang lausche ich einer digital bimmelnden GEMA-freien Warteschleife, die sich wie ein musikalisches Stockholm-Syndrom in mein Ohr brennt. Schließlich meldet sich zu meiner kompletten Überraschung ein Mensch. Also, eine Stimme mit Namen. Ich nenne meine Kundennummer, mein Anliegen, wäre sogar bereit, ihm meine Schuhgröße zu offenbaren, doch der gute Mann unterbricht mich unsanft, aber bestimmt: Ohne meine achtstellige Identifikationsnummer könne er mir nicht weiterhelfen.

Ich entgegne, dass ich diese Nummer nicht kenne. Das sei, erklärt er, kein Problem – ich könne jederzeit online eine neue beantragen. Das dauere hächstens ein paar Tage. In seltenen Fällen Wochen. Man wisse es nicht genau, man sei ja schließlich bei einer Direktbank.

Nach Erhalt der neuen Nummer, so der weitere Plan, dürfe ich ihn dann erneut anrufen, um dann vielleicht – mit etwas Glück und der Gunst der Götter – mein Problem schildern zu dürfen. Also. vielleicht. Falls dann nicht wieder eine andere Nummer fehlt.

Ich frage mich, ob Kafka je daran gedacht hat, eine Novelle über Online-Banking zu schreiben. „Der Prozess“ wirkt im Vergleich zu comdirect jedenfalls wie eine recht transparente Angelegenheit. Ich hätte nicht gedacht, dass man im digitalen Zeitalter (ja, ich weiß, Neuland …) ausgerechnet bei einer Direktbank eine solche Freude an verpasster Kommunikation entwickeln kann.

Jedenfalls warte ich jetzt. Das kann ich super. Geduld ist meine ganz große Stärke. Auf die Identnummer. Auf den nächsten Hotline-Termin. Auf den Moment, in dem comdirect mir mitteilt, dass sie es erneut „mehrfach versucht“ haben, mich zu erreichen.

Vielleicht schreiben sie diesmal eine Nachricht in den Sand. Oder schicken einen Raben. Ich jedenfalls bleibe bereit – mit Kundennummer im Herzen und achtstelliger Sehnsucht im Blick.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert